Für die meiste Zeit meines Lebens hatte ich das unterschwellige Gefühl, dass mit mir etwas nicht stimmte. Ich hatte kein Geld, keine Ausbildung, war keine gute Mutter und schlank oder schön genug war ich auch nicht. Ich war mir dieser Gefühle, dieses Selbstbildes nicht wirklich bewusst und konnte sie deshalb auch nicht hinterfragen. Das ist nichts Ungewöhnliches. Vieles spielt sich unter der Oberfläche unserer bewussten Wahrnehmung ab und vieles nehmen wir als gegeben hin ohne es zu hinterfragen.
Da gibt es nur ein Problem. Dieses unterschwellige Gefühl der Minderwertigkeit oder gar Wertlosigkeit hatte tiefe Auswirkungen darauf wie ich mein Leben gestaltete, welche Entscheidungen ich traf, wie mich verhielt, wie ich mit meinen Kindern umging und was ich ihnen mit auf dem Weg gab. Es war ein wichtiger Wendepunkt auf meinem Weg der Bewusstwerdung und Heilung, dass ich dieses unterschwellige Gefühl endlich wahrnahm und hinterfragte. Ich merkte, wie sehr mich die Annahme, dass mit mir was nicht stimmte, daran hinderte im Leben ganz präsent zu sein und meine Fähigkeiten und Talente einbringen zu können. Es kam der Zeitpunkt, an dem ich bereit war aus meinem Dornröschenschlaf zu erwachen. Es kam kein Prinz, der mich wachküsste, aber ich gab mir selbst das Versprechen mir zur Seite zu stehen, mir selbst liebevolle Zuwendung zu schenken und zu lernen mich so zu akzeptieren wie ich bin. (Irgendwann brachte ich das dann in meinem Manifest der Selbstliebe zum Ausdruck.) Dieses Versprechen, mir selbst zur Seite zu stehen hat mein Leben grundlegend verwandelt. Der Prozess der Selbstakzeptanz und Bewusstwerdung rückte ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit und half mir Altlasten abzubauen. Dieser Prozess dauert immer noch an und das wird auch so bleiben. Ich werde immer weiter wachsen und reifen. Ich bin dankbar dafür, dass mein Herz immer leichter wird und ich immer unbeschwerter durchs Leben gehen kann. Irgendwann wurde mir auch klar, dass es sich bei „meinem Problem mit der Minderwertigkeit“ nicht nur um mein Problem handelte, sondern, dass dieses Problem sehr weit verbreitet war und erschreckend viele Menschen darunter litten sich nicht gut genug zu fühlen. Der englische Titel von Brene Browns erstem Buch brachte es auf den Punkt: „I thought it was just me (Ich dachte, das wäre nur bei mir so)“. Es ist ein Buch über Scham. Wenn wir uns minderwertig fühlen, kommt oftmals die Scham ins Spiel. Scham ist ein extrem unangenehmes Gefühl. Es nagt an der Wurzel unseres Selbstwertes. Also versuchen wir, das was uns minderwertig erscheint zu verstecken oder zu kompeniseren. Wir bemühen uns der Scham zu entkommen, aber genau dadurch hat sie uns im Griff. Je mehr wir uns bemühen, desto mehr verfangen wir uns im Spinnennetz der Scham. Das führt dann leicht dazu, dass wir dem Perfektionismus verfallen oder aufgeben und gar nicht versuchen, den Anforderungen des Lebens nachzukommen. Ich gehörte zu denen, die kraftlos in die Knie gingen. Ich will hier gar nicht weiter auf die Scham eingehen. Es ist ein wichtiges und komplexes Thema, das Brene Brown mit ihrer Arbeit und ihren Büchern ans Licht gebracht hat. Scham gedeiht nur im Dunkeln, wenn wir sie ans Licht bringen, verliert sie ihre Kraft. Ich möchte auf den Teufelskreislauf des „Nie Gut Genug“ eingehen. Unsere persönlichen Minderwertigkeitsgefühle sind tatsächlich ein Mosaikteilchen eines größeren Bildes. Unsere Aufmerksamkeit von unserem individuellen Mosaikteilchen abzuziehen und das größere Bild zu betrachten kann sehr heilsam sein. Für mich war es heilsam. Es ist eine natürliche Neigung von uns Menschen unsere Kräfte, unser Wissen und unsere Kreativität nutzbringend einsetzen zu wollen. Dieser natürliche Drang wird aber verzerrt, wenn wir in einem Umfeld leben, das stark konkurrenz- und leistungsorientiert ist. Unsere natürliche Kreativität wird eingeengt durch Normen und Vorgaben, unsere Leistung wird bewertet. Um erfolgreich zu sein, müssen wir nicht nur gut genug sein, sondern überdurchschnittlich gut. Denn nur das sichert unseren Weg nach oben, sichert uns Erfolg und sozialen Status. Um dazu zu gehören müssen wir zumindest gut-genug sein. Leider ist dieses gut-genug so schwer zu erreichen. Wir hasten dem gut-genug nach und bleiben im nie-gut-genug hängen. In einer Welt, die natürliche Rhythmen durch eine hyperaktive „rund um die Uhr“ Kultur erstetzt, hetzen wir durchs Leben, müssen immer mehr haben, immer mehr leisten, nach immer mehr streben. Wir hasten dem persönlichen und globalen Burnout entgegen. Durch Konsumzwang und einen ständig steigend Lebensstandard beuten wir die naürlichen Resourcen der Erde aus. Im ungehinderten „immer-mehr-Wahn“ bleiben die Natur und Menschen der unteren sozialen Schichten auf der Strecke. Als ich erkannte, dass meine persönlichen Minderwertigkeitsgefühle Teil dieser ungesunden immer-mehr und nie-genug Kultur waren, fiel es mir leichter sie zu hinterfragen. Dadurch, dass ich aus dem Teufelskreislauf des nie-genug ausstieg, leistete ich automatisch auch einen Beitrag zum kollektiven Bewusstseinswandel. Das war mir wichtig. Durch meine Selbstakzeptanz stärkte ich die Vision einer Welt in der alle Lebewesen geachtet werden. Selbstachtung und Selbstakzeptanz haben also absolut nichts mit Selbstzentriertheit oder Eigennutz zu tun, sie sind das Gegenmittel, das ein aus den Fugen geratenes System wieder ausbalanzieren hilft. Das Wohl dieser Erde und all ihrer Lebewesen liegt mir sehr am Herzen, deshalb mein Appell an dich: Wenn dieser Text dich erreicht und berührt hat, dann bitte ich dich dir einen Moment Zeit zu nehmen um tiefer in dieses Thema einzutauchen. Wie sieht es bei dir aus mit Selbstachtung, Selbstakzeptanz und Selbstliebe. In welchem Maße hast du dich aus den Fängen des nie-genug befreien können? Gibt es etwas, was du tun kannst um einen Schritt weiter gehen zu können auf dem Weg der Selbstakzeptanz. Ich bitte dich diesen nächsten Schritt zu gehen, nicht nur um dir selbst etwas Gutes zu tun, sondern auch um aktiv an einer lebenswerteren Zukunft für uns alle mitzubauen. Danke
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May 2023
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