Loslassen, Entspannen, die Seele baumeln lassen hört sich irgendwie einfach an, so als könnte das jeder.
Ich habe mir darüber eigentlich nie Gedanken gemacht. Erst in den letzten Jahren, als ich Stress und Trauma besser verstanden habe, wurde mir klar, dass das mit dem Entspannen gar nicht so einfach ist. Ich hatte zwar bemerkt, dass ich nie wirklich zur Ruhe kommen konnte, aber warum das so ist und was ich dagegen tun könnte war mir nicht klar. Eigentlich ist es ja klar, dass Entspannug wirklich wichtig ist, wenn man bedenkt, wie schnelllebig unser Zeitalter geworden ist und wie viele Belastungen und Herausforderungen wir meistern müssen. Ich konnte aber bei mir und anderen beobachten, dass die innere Unruhe und der innere Antreiber die Oberhand hatten und der Enspannung wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Wie funktioniert Entspannung? Anspannung und Entspannung werden von unserem autonomen Nervensystem (ANS) reguliert. Unser ANS reguliert viele lebenswichtige Vorgänge in unserem Körper. Es besteht aus drei Teilen. Das Enterisches Nervensystem (ENS) – das Nervensystem des Magen-Darm-Trakts, können wir hier ausser acht lassen. Interessant sind jedoch Symphaticus und Parasympathicus. Der Teil des autonomen Nervensystems, der für unsere Entspannung zuständig ist, ist der Parasympathicus, der auch Entspannungsnerv genannt wird. Sein Gegenspieler ist der Sympathicus auch Stress- oder Spannungsnerv genannt. Diese beiden arbeiten in gegenseitiger Ergänzung (meist antagonistisch, manchmal auch synergetisch). Unser Nervensystem ist uralt. Es stammt aus einer Zeit, als Menschen vor Säbelzahntigern flüchten mussten. Es gab also nur selten Stresssituationen. Heute ist das anders, wir leben in einer Welt, die uns mit Reizen, Belastungen und Anforderungen überflutet. Wir müssen nicht vor Tigern fliehen, aber wir werden ständig angetrieben mehr zu leisten, mehr zu hasten; wir rennen Terminen hinterher und haken To-do-Listen ab. Stress ist ein ständiger Begleiter und wirkliche Entspannung rückt in die Ferne. Selbst wenn wir uns die Zeit nehmen zu entspannen, bedeutet das oft, dass wir uns mit einer anderen Aktivität beschäftigen. Wir schauen uns einen Film an, verfangen uns im Netz von Facebook und Co, oder gehen einfach zum Kühlschrank um eine Pause zu machen. Dabei kommt unser überreiztes Nervensystem nicht wirklich zur Ruhe, aber da wir tiefe Entspannung vielleicht gar nicht kennen, fällt uns das nicht auf. Bei mir war das auf jeden Fall so. Erst nachdem mir klar wurde, dass ich lernen musste mich zu entspannen und auch regelmässig die natürliche Bauchatmung angewandt hatte, kam ich zu dem Punkt, wo ich spürte: „Ah, so fühlt es sich an, wenn mein Körper und Geist wirklich entspannt sind.“ Was können wir tun um in die Entspannung zu kommen? Den Vagus Nerv aktivieren – in der Ruhe liegt die Kraft Der Vagus Nerv ist der längste und somit wichtigste Nerv im Parasypathicus, dem Enspannungsnerv. Das autonome Nervensystem funktioniert ohne unser bewusstes Zutun. Wir können es aber trotzdem in einem gewissen Maße beeinflussen. Wenn wir den Vagus Nerv aktivieren, hilft uns das, zur Ruhe zu kommen. Zur Ruhe kommen bedeutet auch, dass wir neue Kraftreserven aufbauen können. Ein überlastetes Nervensystem verfängt sich leicht in einer kräftezehrenden Stressspirale. Stress erzeugt Spannung in Körper und Geist und führt zur Ausschüttung von Stresshormonen, die auf Dauer unsere Immunabwehr schwächen. Im Stressmodus können wir keine Kraftreserven aufbauen. Dadurch bringt uns Stress immer leichter aus dem Gleichgewicht, was weiterhin an unseren Kräften zehrt. Diese Dynamik verstärkt sich immer weiter und kann sich mit innerer Unruhe, Schlafstörungen, Angstzuständen und einer vielzalhl von Gesundheitsproblemen bemerkbar machen. Wir sind dem aber nicht hilflos ausgeliefert. Wir können etwas dagegen tun. Wir können etwas tun, um unser überlastetes Nervensystem zu entlasten Inzwischen hat der Vagus Nerv, als Selbstheilungsnerv viel Aufmerksamkeit bekommen. Es gibt zahlreiche Artikel und Bücher, die verschiedene Methoden erläutern, wie wir den Vagus und damit Entspannung und Selbstheilung aktivieren können. Ein aktiver Vagusnerv führt zu mehr innerer Ruhe und wirkt Angstzuständen, Schlaflosigkeit und Depressionen entgegen. Die natürliche Bauchatmung Die natürliche Bauchatmung, die auch Zwerchfellatmung genannt wird, ist wohl die einfachste und effektivste Art den Vagus Nerv zu stimulieren. Ich bin begeistert vom Potential, das die natürlichen Bauchatmung für unser körperliches, emotionales und geistiges Wohlbefinden hat. Warum das so ist will ich dir gerne mitteilen. Anstatt nur Bauchatmung zu sagen, verwende ich lieber den Begriff natürliche Bauchatmung. Das Wort „natürlich“ beschreibt in gewisser Weise warum die Bauchatmung so wichtig und effektiv ist. Vieles in der Welt ist aus dem natürlichen Gleichgewicht geraten. Auch in unserer inneren Welt ist dieses natürliche Gleichgewicht oft gestört. Wenn wir Stress erleben neigen wir dazu flacher zu atmen. Das ist ganz normal. Es gibt noch viele andere Faktoren, die dazu beitragen, dass sich unsere Atmung verflacht und dass wir nur im oberen Lungenraum atmen, wobei sich unser Brustkorb hebt und senkt. Natürlicherweise fließt unser Atem aber auch in den unteren Teil unserer Lunge, was mit der Bewegung des Zwerchfells einhergeht und wodurch sich unser Bauch hebt und senkt. Bei kleinen Kindern kann man das gut beobachten, wenn sie schlafen. Das Zwerchfell spielt eine entscheidende Rolle dabei, den Vagus Nerv zu aktivieren. Es ist unser wichtigster Atemmuskel, der Unterhalb der Lunge, einem Fallschirm ähnelnd, die Brust- von der Bauchhöhle trennt. Durch den Speiseröhrenschlitz des Zwerchfells verlaufen auch die beiden Hauptstämme des Vagus Nerv. Wenn sich das Zwerchfell bei der Bauchatmung hebt und senkt, streicht es am Vagus Nerv entlang, dadurch wird dieser automatisch aktiviert und gestärkt. Das bedeutet, dass sein Gegenspieler der Spannungsnerv herunterreguliert wird. Damit wird im gesamten Körper Entwarnung angesagt. Wir gehen oft davon aus, dass das Gehirn die Leitzentrale ist, die die Informationen und Befehle in den Körper aussendet. Neuere Forschungen haben allerdings festgestellt, dass nur etwa 20% der Informationen, die in den Nervenbahnen gesendet werden vom Gehirn zum Köper gehen und 80 % des Informationsflusses vom Körper zum Gehirn geleitet wird. Wenn wir also durch unsere Atmung den Vagus Nerv aktivieren, senden wir dem Gehirn die Information, dass alles im Grünen bereich liegt. Es ist Entwarnung angesagt und wir können Entspannen. ENDLICH ENTSPANNEN 😊 Es gibt nichts Gutes, außer man tut es Ich bin so ein starker Advokat für die natürliche Bauchatmung geworden, weil ich ihre heilsamen Kraft am eigenen Leibe erfahren habe, nachdem ich angefangen habe meinem Stress mehr Beachtung zu schenken und entschlossen war etwas dagegen zu tun. In akuten Stresssituationen ist es ein gutes Notfallmittel einige tiefe Atemzüge zu nehmen, den Atem tief einfließen zu lassen und ganz langsam wieder, am besten durch den leicht geöffneten Mund, auszuatmen. Bestimmt hast du davon auch schon gehört und wendest das bewusste, tiefe Atmen in solchen Stressmomenten auch schon an. Ich erinnere mich an eine Situation mit meiner Enkelin. Sie hatte Angst vorm Schwimmen in tiefem Wasser und geriet dabei leicht in Panik. Ich riet ihr beim Schwimmen langsam zu atmen und sich ganz auf den Atem zu konzentrieren. Die Wirkung davon hat sie total überrascht, denn die Panik verschwand und sie konnte mehrere Bahnen schwimmen. Neben dieser kurzfristigen Regulierung unseres Nervensystems, können wir mit der natürlichen Bauchatmung aber auch Stress aus unserem Körper ausleiten, der älter ist. Stress ist akkumulativ. Das heißt, dass er sich aufbaut oder anstaut, wenn er nicht nach einer Stresssituation ausgeleitet wird. Körperliche Bewegung hilft um Stress abzubauen. Ich denke, dass sich deswegen Joggen, Fitnesstraining, und andere sportliche Betätigungen so großer Beliebtheit erfreuen. Dabei geht es aber eher um eine Entladung des Stresses. Ich finde es aber auch wichtig Entspannung auf andere Weise zu praktizieren. Der positive Effekt von Meditation und Achtsamkeitsübungen ist inzwischen ja allgemein bekannt. Wenn wir uns hinsetzen und für etwa 5 Minuten, langsam und sanft die Bauchatmung praktizieren, kann sich unser Körper entspannen und beginnen auch alten Stress, der in unserem Körper eingelagert ist, abzubauen. Je länger wir auf diese Weise atmen, desto größer ist auch der Effekt, den wir damit erzielen. Auf diese Weise können wir es mit der Zeit lernen, wieder richtig zu entspannen, alten Stress zu entlassen und neue Kraft zu schöpfen. Die natürliche Bauchatmung wieder zu erlernen und auszuüben ist meiner Meinung nach eine wertvolle Investition für Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensfreude. Ich hoffe, dass ich dich dieser Artikel inspiriert, es mal mit der natürlichen Bauchatmung zu probieren.
2 Comments
Danke für diesen sehr interessanten Artikel. Und Kompliment - er ist gut und verständlich geschrieben!
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Sanjara
9/30/2019 01:55:20 pm
Danke Rosemarie, schön, wie du die Wirkung der Bauchatmung beschreibst, als Schlüssel zu tieferen Ebenen des Bewusstseins.
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