Eine gute Freundin erzählte mir, dass sie jetzt schon eine Weile Unterricht in der Alexandertechnik erhält.
Ein Freund, der Lehrer für die Alexandertechnik ist, hatte ihr einmal eine Sitzung gegeben. Sie wurde gedehnt und gestreckt und nach der Sitzung fragte er sie wie sich fühle. Ihre Antwort war: „Total schief und krumm“. Nach der Sitzung war sie gerader, in einer mehr natürlichen und gesunden Haltung. Da diese gesundere Haltung aber vom dem was für sie der Normalzustand war, abwich, fühlte sie sich krummer. Ich fand diese Geschichte so interessant, weil sie aufzeigt, dass das, was uns normal erscheint und uns vertraut ist, sich also irgendwie gesund anfühlt, tatsächlich aber schief und krumm sein kann. Andersherum gilt das gleiche: Wenn wir uns aus dem schief und krumm herausbewegen und aufrichten, gerader und gesünder werden, kann sich das ganz schön ungewohnt, unbequem, eben schief und krumm anfühlen. In unserer heutigen Welt gilt vieles als normal was nicht gesund ist. Ein Aspekt davon ist der 24/7- oder Rund-um-die-Uhr-Modus. Wir leben in einer Kutur der Hyperaktivität. Wenn wir es gewohnt sind immer aktiv zu sein, von einem Termin zum nächsten zu hasten, dann kann es sich ganz fürchterlich schief und krumm anfühlen wenn wir versuchen zu entspannen und langsamer zu treten. Deshalb kommen wir vielleicht erst mal gar nicht auf die Idee, dass wir Ruhe und Entspannung mehr Aufmerksamkeit schenken sollten. Und wenn wir es tun, wenn wir still sitzen und vielleicht meditieren wollen, oder bewusstes Atmen üben wollen, dann kann sich das ganz schrecklich anfühlen. Tausend Dinge kommen in den Kopf und wir wollen aufspringen. Rumsitzen und nichts tun ist doch nur Zeitverschwendung. „Heilen heißt, uns aus unserer Komfortzone herausbewegen“ Krishnamurti sagte, dass wir uns aus unserer Komfortzone herausbewgen müssen, um heil zu werden. Das mag zwar einleutend sein, aber gefühlsmäßig neigen wir doch viel eher dazu, uns in unsere Komfortzone zurückzuziehen um zu heilen. Deshalb würde ich auch eher sagen, dass wir unsere Komfortzone erweitern müssen um zu heilen. Unsere Komfortzone ist ein ganz wichtiger Schutzraum. Wir brauchen diesen sicheren Raum um uns dem Schmerz, der Verwundung, zuwenden zu können. Das ist ein wichtiger erster Schritt um emotionale Wunden heilen zu können. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens im "Tut-gar-nicht-weh-Modus" verbracht. Weil ich diesen Schutzraum für meinen emotionalen Schmerz in der Kindheit nicht entwickeln konnte, fiel ich in die emotionale Erstarrung. Ich habe kaum noch etwas gefühlt. Diese Gefühllosigkeit hat mich vor der Intensität weiterer Schmerzen bewahrt und wurde zum Normalzustand. Ich habe sie also gar nicht bemerkt. Erst als ich im mittleren Alter langsam anfing aus dieser emotionalen Erstarrung zu erwachen, bemerkte ich, wie sehr der Tut-gar-nicht-weh-Modus in mir verankert war. Dieses Erwachen dauert immer noch an. Ich sehe es als einen natürlichen Prozess des Wachsens und Heilens an. Ich genieße es dabei immer lebendiger, also gelassener und lebensfroher zu werden. Im natürlichen Prozess der Heilung ist es also erst mal wichtig, einen sicheren Rahmen für unsere Heilung zu haben. Beim nächsten Schritt geht es darum diesen sicheren Rahmen, die Komfortzone, zu erweitern, damit Heilung möglich wird. Es ist eine natürliche Schutzreaktion sich im Schmerz zusammenzuziehen. Doch nach dieser unbewußten, intuitiven Reaktion, können wir bewusst einen sicheren Rahmen wählen, um uns unserem Schmerz zuzuwenden. Wir können unser Herz für den eigenen Schmerz öffnen. Und dann geht es ums erkunden, ausdehnen, integrieren und neu orientieren, ums wachsen und heil werden. Auf diese Weise blockiert der Schmerz unsere Lebensenergie nicht, sondern er macht uns weiter, offener und lebendiger. Unser Herz kann leichter und weiter werden.
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May 2023
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